Das Kino des Amos Gitai – Aufforderung zum Dialog
23.10.2024 – 31.1.2025
Amos Gitai gilt als einer der angesehensten israelischen Filmschaffenden. Sein Werk, das seit Beginn der 1970er-Jahre entsteht, stellt sowohl eine große Erzählung als auch eine kritische Analyse seines Heimatlandes dar. Krieg, Konflikt, Vertreibung, Geschichte, Erinnerung und das menschliche Dasein im Allgemeinen sind zentrale Themen in Gitais Werk.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich darüber hinaus ein Filmemacher, dessen Œuvre weitaus komplexer und reichhaltiger ist als diese einfache Kategorisierung vermuten lässt. Gitais Kunst lässt sich vielleicht am besten als ständiger Aufruf zum Dialog verstehen, als ein radikal ergebnisoffenes Projekt, das sich in einer faszinierenden Vielfalt von Ansätzen und Geschichten manifestiert. Wie die meisten Dialoge im wirklichen Leben wandeln auch die Filme von Amos Gitai auf verschlungenen Wegen und enden oft, ohne einen Moment der Katharsis oder Auflösung zu erreichen. Und scheitern mitunter auch, getreu dem Beckett’schen Motto: „Gescheitert. Egal. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ (Filmmuseum Wien)
House-Trilogie
BAIT (HOUSE)
Gitai begann seine Karriere als Dokumentarist. Der Dokumentarfilmemacher ist laut Gitai ein Archäologe, dessen Aufgabe es ist, die verborgene Wirklichkeit freizulegen; der Spielfilmemacher ein Architekt, der ein Haus baut.
Die Metapher des Dokumentarfilms als archäologische Erkundung ist bereits in Gitais erstem längeren Werk HOUSE (1980) perfekt umgesetzt. Der Film handelt von einem Mietshaus in Westjerusalem, das bis 1948 einem palästinensischen Arzt gehörte und nach der Beschlagnahmung durch die Regierung in den Besitz eines israelischen Professors überging, der es zur Villa umbauen will. Das Haus wird zur Metapher sowohl für die Stadt Jerusalem als auch für Israel als Ganzes. Gitai arbeitet wie ein Archäologe und deckt unter den Schichten der Geschichte ein kompliziertes Labyrinth von Schicksalen auf. Im zweiten (A HOUSE IN JERUSALEM, 1998) und dritten Teil NEWS FROM HOME (2006), der ebenfalls im Forum der Berlinale gezeigt wurde, kehrte Amos Gitai wieder zurück an den Ort und schilderte die Veränderungen der vergangenen Jahre. Dass BAIT (House) vom israelischen Fernsehen zensiert wurde, war nur der Anfang von Gitais Schwierigkeiten mit der Politik.
Israel 1980 / OmU / 51 Min. / Regie: Amos Gitai //
Mi 23.10., 19:30 / Fr 25.10., 17:30 //
A HOUSE IN JERUSALEM
Für A HOUSE IN JERUSALEM kehrt Gitai zum selben Haus und zu dessen ursprünglichen Besitzern zurück. Er geht die Straße, die Dor Dor Vedorshav Street im östlichen Jerusalem, entlang und interviewt die jetzigen Bewohner dieser wohlhabenden Nachbarschaft, darunter einen Archäologen, und webt die Bilder von alten und neuen Anrainern zusammen, sorgfältig choreographiert und im charakteristischen Stil seiner besten Dokumentarfilme. Mit A House in Jerusalem schafft Gitai das intelligente und erhellende Porträt nicht nur einer Straße und einer Stadt, sondern eines ganzen Landes. Zurückgenommen und kontrolliert, ist der Film abwechselnd bewegend und tragisch. Ein Film über die Politik und die Geographie des Eigentums.
Israel, F 1998 / OmU / 35 mm / 87 Min. / Regie: Amos Gitai //
Mi 23.10., 21:00 / Fr 25.10., 19:00 //
NEWS FROM HOME
NEWS FROM HOME (2006) schließt die Trilogie ab, deren historische Spanne von 25 Jahren bei einem Haus beginnt und sich geografisch und thematisch ausweitet. Ein weiteres Mal kehrt Amos Gitai zu dem Haus zurück, und nimmt mit ruhigen Kamerabewegungen die Veränderungen wahr, die in den vergangen Jahren geschahen, und welche im Umfeld des Hause in dem Mikrokosmos der zusammenlebenden israelischen und palästinensischen Gemeinschaft geschahen und geschehen. Er untersucht die Beziehungen zwischen den Einwohnern des Hauses, Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Israelis und Palästinensern. Alle werden auf ihre Art ein Symbol für das Schicksal der Region, der Welt.
Israel, F 2006 / OmU / 97 Min. / Regie: Amos Gitai //
Fr 25.10., 21:00 //
RABIN, THE LAST DAY
RABIN, THE LAST DAY unternimmt eine Rekonstruktion jenes Tages, an dem der israelische Premierminister im Jahr 1995 ermordet wurde. Gitai verwendet klassische dokumentarische Darstellungsmittel – Interviews, kunstvoll einmontiertes Archivmaterial und mit Schauspielern nach-inszenierte Szenen – und macht zum einen deutlich, dass er eine fanatisch-religiöse, rechte Subkultur für mitschuldig an dem Verbrechen hält und zum anderen der hoffnungsvoll begonnene Friedensprozess damit am Ende war. Der Film ist eine Hommage an einen Staat, der niemals war und der jetzt vielleicht niemals mehr sein wird.
Israel, F 2015 / OmU / 153 Min. / Regie: Amos Gitai //
Mi 30.10., 19:30 //