Almut Quaas: Das Damenbad und Ich

Ausstellung anlässlich des Stadtjubiläums „900 Jahre Freiburg“

Feminists Insha’allah - La Révolution des Femmes | Feriel Ben Mahmoud | 2015

 

Dr. Antje Lechleiter: Rede zur Eröffnung der Ausstellung

Almut Quaas hat ihre Serie zum Freiburger „Damenbad“ bereits vor über 15 Jahren, nämlich im Sommer 2005 begonnen und wie wir heute sehen, ist sie noch immer von diesem Sujet fasziniert. Was mag wohl der Grund für diese langanhaltende Beschäftigung mit einem Thema sein, mögen Sie sich jetzt vielleicht fragen. Nun, die Künstlerin wohnt nicht nur in unmittelbarer Nähe des Lorettobades, sondern arbeitet auch grundsätzlich gerne an Motivgruppen, in denen sie nach immer neuen Facetten ihres jeweiligen Themas sucht. Überdies geht es ihr in ihrer Malerei grundsätzlich darum, ein Gefühl, eine Stimmung, eine Form der Existenz in die Sprache der Kunst zu übersetzen. Und hierfür ist die wunderbare Atmosphäre dieser 175 Jahre alten Rarität geradezu prädestiniert. Denn mit seiner Damenabteilung besitzt das Freiburger Lorettobad einen legendären Ort weiblicher Dominanz. Als Rückzugsmöglichkeit im Geschlechterkampf oder einfach als Badeidyll ohne Männer – die altdeutsche Badeanstalt zeigt hier ein feminines Gesicht. Eine Rarität, ein Refugium und Reservat.

Auf den Arbeiten dieser Ausstellung können wir verfolgen, was sich während der Badesaison innerhalb der alten und vielfach mit hellblauer und weißer Farbe überlackierten Trutzburg abspielt. Wir sehen Frauen jeden Alters, die sich am Beckenrand oder auf der Wiese sonnen, die schlafen, schwimmen, lesen, sich unterhalten. Einige zeigen uns ihre bereits gebräunten Rücken oder sind gerade dabei, diesen ruhigen Hafen in bunt gemusterten Sommerkleidern zu verlassen. Eindringlich dokumentieren diese Bilder, was Almut Quaas an diesem „Reservat“ interessiert, und das ist ganz und gar nicht der aufgeregte Lärm der Kinder oder der lachenden jungen Mädchen. Nein, es ist vielmehr die gelassene, stille, zauberhafte Atmosphäre, der zarte Hauch von Melancholie, der über den von ihr gesehenen und tief in sich aufgenommenen Situationen schwebt. Die dargestellten Frauen und Mädchen genießen den Augenblick im Wasser und in der Natur – in der stimmungsvollen Kulisse einer scheinbar vergangenen Zeit. Wie auf einem Schnappschuss verharren sie für einen Augenblick und sie haben keinerlei Interesse daran, sich in Szene zu setzen. Immer bleiben sie ganz bei sich selbst. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie empfinden den leicht morbiden Charme dieses Ortes, der auch ein wenig an ein in die Jahre gekommenes Seebad vor dem Ersten Weltkrieg erinnert.

Im Laufe der Beschäftigung hat sich diese Motivgruppe langsam entwickelt und erhielt immer neue Facetten. Am Anfang stand die räumliche Situation, die auch von den denkmalgeschützten Bauten und der Enge des Bades berichtet. Dann trat die Schilderung der Kulisse mehr und mehr in den Hintergrund, die Einbauten, die Umkleidekabinen, die Bänke, selbst das Becken – all das verschwand. Die Frauen und Kinder sind nun ganz puristisch auf der hellgrünen Fläche des Grases und vor einer nicht weiter gekennzeichneten, dunklen Hecke zu sehen. Es fällt auf, dass die Dargestellten zumeist keinen Blickkontakt zum Betrachter aufnehmen, sie werden oftmals direkt oder schräg von hinten gezeigt und signalisieren Distanz. Distanz zum Betrachter, der ihnen mit den Augen nahe zu kommen sucht. Diesem lebendigen Zugriff entziehen sie sich und sie erstarren wie in einem angehaltenen Film, verharren in ihrer träumerisch-melancholischen Bildwelt. Auf Ihrer Einladungskarte sehen wir zwar eine Frau in roter Bluse von vorne, doch sie hat einen Sommerhut auf und dieses Accessoire führt dazu, dass auch hier kein Augenkontakt entstehen kann. Aber warum vermeidet die Künstlerin diese direkte Konfrontation zwischen der Dargestellten und den Betrachtenden? Hat dies etwa mit dem exklusiven Wesen eines Damenbades zu tun? Ich denke nicht, Almut Quaas geht es grundsätzlich weniger um Inhaltliches als um malerische Fragestellungen. Meisterhaft schlüssig verbindet sie Figur und Umraum mit einer leichten, lockeren Malweise, die gerne mit Hell-Dunkel-Kontrasten arbeitet und lichtdurchflutete Settings festhält. Auf unserem Bild überprüft sie die Wirkung des kleinteilig gemusterten Rocks vor den kräftigen Grüntönen der Wiese und stellt das satte Rot der Bluse vor die helle Wand. Der klaren Bildaufteilung, der präzise formulierten malerischen Erscheinung und der daraus resultierenden, suggestiven Wirkung kann man sich nur schwer entziehen. In diesen Bildern entwickelt sich nichts Anekdotenhaftes, „erzählt“ wird vielmehr vom Weiß des Badehauses, von den Grüntönen der Wiese, vom Leuchten eines Kleidungsstückes – erzählt wird vom stillen Dasein einer Welt im Wunder des Lichtes.

So dokumentiert diese Werkgruppe eindringlich, dass Almut Quaas Menschen und Raum nicht abbildet, sondern durch ihre Malerei und über einen überaus subtilen Umgang mit Farbe neu gestaltet. Mutig und zupackend zieht sie dabei einzelne Bildabschnitte bis an die Grenze zur Abstraktion zusammen.

Dass Almut Quaas eine Meisterin des kleinen Formates ist, zeigen die Arbeiten, die in Petersburger Hängung angebracht wurden. Sie sind wunderbar verdichtet und ich liebe diese kleinen Kostbarkeiten ganz besonders.

Zum Jubiläum der Stadt Freiburg ist überdies der 4 minütige, musikalisch unterlegte Film entstanden, den Sie in der Ausstellung ansehen können. Er beginnt mit einer Serie von Fotografien, die während der Zeit von Corona im menschenleeren Bad aufgenommen wurden. In einem zweiten Teil folgen die Gemälde der Künstlerin und in dieser direkten Zusammenschau zeigt sich, wie präzise Almut Quaas die besondere Stimmung der Aufnahmen in ihre Malerei übertragen hat.

In einer Gruppe von großformatigen Werken tritt die Künstlerin selbst ins Bild. Zwei dieser Kompositionen hängen im Café, eine weitere im großen Ausstellungsraum. Immer sehen wir sie dabei von hinten, weiß bekleidet lehnt die Künstlerin an einer offenen Verandatür und blickt nach draußen in einen dunkelblauen Himmel. Auch in dieser Serie fasziniert der Umgang mit Licht und Farbe, der den Blick der Betrachtenden tief ins Bild hinein saugt. Dabei schauen wir der Dargestellten nicht einfach über die Schulter, wir werden vielmehr eins mit diesem stillen, in sich versunkenen Menschen.

Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich aus der Serie „Damenbad“ ganz organisch eine weitere Bildserie entwickelt hat. In ihrer Motivgruppe „Am Meer“ hat Almut Quaas einen neuen Kurs aufgenommen und offene See angesteuert. Auch wenn in dieser Serie die hohen Himmel und die offenen Horizonte die Enge des von Holzplanken begrenzten Damenbades vergessen machen – die zarte Schwermut dieser Freiburger Besonderheit ist der Künstlerin auch an die See gefolgt. Das Stadtjubiläum hat sie nun wieder zurück ins Damenbad und zur melancholischen Imprägnierung im alten Holz der Umkleidekabinen geführt. Doch man sieht den neuesten Werken von 2020 und 2021 an, dass Almut Quaas diese Rückkehr absolut nicht schwer fiel, das Damenbad ist eben ein ganz besonderer Ort, ein Ort der Bilder zum Träumen generiert.

Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Cafés im Alten Wiehrebahnhof besucht werden.

Was
Ausstellung

Wann
30.7.-15.9.21
Zu den Öffnungszeiten des Cafés im Alten Wiehrebahnhof

Wo
Galerie im Alten Wiehrebahnhof
Urachstraße 40
79102 Freiburg